Schlagwörter
Anglesey Abbey, Cambridgeshire, England, Garten, Geschichte, National Trust, Reise
Der nächste Urlaubsmorgen begann mit blauem Himmel, auf dem nur wenige Wolken entlang zogen, ein verheißungsvoller Start in den Tag. Wir packten unsere sieben Sachen und brachen auf, um weiter nach Norden zu fahren – allerdings nicht auf geradem Weg, schließlich geht es uns bei unseren Urlaubsreisen nicht darum an ein Ziel zu gelangen, sondern darum unser Urlaubsland zu erfahren. So lag unser erster Stopp an diesem Mittwoch auch nicht weit von Cambridge entfernt.
Wenn man in England eine Sehenswürdigkeit besucht, in deren Namen Abbey auftaucht, landet man meist in einer Klosterruine oder einem Herrenhaus, das durch den Umbau eines Klosters entstanden ist. Anglesey Abbey ist ein solches Haus, dessen Ursprünge im 12. Jh. liegen. Es sind allerdings nur wenige Überreste der ehemaligen Klostergebäude übriggeblieben. Uns erwartete ein mittelalterlich anmutendes Haus mit viel Komfort im Innern, das in mitten eines 45 Hektar großen Landschaftsparks mit Themengärten liegt, der im 20. Jh. entstanden ist und sich am Stil der großen Gärten und Parkanlagen des 18. Jh. orientiert. Bereits der Weg hin zu dem Haus über gepflegte Wege vorbei an Rasenflächen, auf denen hohe alte Nadelbäumen stehen, überzeugte uns, das wir eine gute Wahl mit diesem Urlaubsziel getroffen hatten. Anglesey Abbey ist wirklich eine Reise wert.
1135 gründete Heinrich I. in Anglesey ein Hospital. So nannte man im Mittelalter Unterkünfte für Pilger, die oft auch als Armenhäuser dienten. Der Begriff Hospital leitet sich vom lateinischen Wort hospes ab, was Gast oder Fremder bedeutet. In einem Hospital kümmerten sich meist Mönche und Nonnen, um die Besucher und pflegten dort auch Kranke. So entwickelten sich aus diesen Gasthäusern schließlich die ersten Krankenhäuser. Das Hospital St. Mary in Anglesey wurde im frühen 13. Jh. von einem Master Lawrence in eine Augustiner Priorie umgewandelt. Der Augustiner Orden entstand im 13. Jh. als Zusammenschluss loser, nur wenig organisierter Eremitengruppen. Ähnlich wie die Franziskaner und Dominikaner orientierten sich die Augustiner an den Idealen der evangelischen d. h. dem Evangelium gemäßen Armut und der apostolischen Brüderlichkeit, wie sie in der Urkirche nach dem Beispiel der Apostel ausgeübt wurde. Sie waren also ein Bettelorden. Priestern und Laienbrüder waren gleichberechtigt, sie hatten bei den Kapiteln, den Versammlungen, das gleiche Stimmrecht und im Prinzip Zugang zu allen Ämtern. Die Regeln, die das Leben der Augustinerbrüder regelten, waren weniger streng als die der Franziskaner. So durften Augustiner auch in Grenzen einen Privatbesitz haben. Dies führte dazu, dass der Augustinerorden in England schnell Fuß fasste. Angelsey war eine von rund fünfzig neuen Gemeinschaften, die überall in England entstanden. Sie waren meist klein und folgten kontemplativ dem religiösen Kreislauf, der ihren Tagesablauf bestimmte. Eine Chronik berichtet, dass als Master Lawrence 1236 starb, die Kirche und der Kreuzgang sowie Refektorium und Dormitorium der Mönche und die Wohnung des Priors beinahe vollständig errichtet worden waren auf seine eigenen Kosten und durch seine eigene schicklichen Sorge und Fleiß. Genau genommen gab es also in Angelsey nie eine Abtei, sondern immer nur eine Priorie. Erst viel später, als hier schon lange keine Mönche mehr lebten, wurde aus der Anglesey Priory eine Abbey. In der kleinen Gemeinschaft lebten nie mehr als 50 Mönche, die man wegen ihrer schwarzen Kutten auch Schwarzer Kannoniker nannte.
Trotz seiner Abgelegenheit profitierte das Augustiner Kloster davon, dass es zu der wohlhabenden Diözese von Ely gehörte. So gab es immer wieder großzügige Stifter, die die Mönche unterstützten. Dazu gehörte u. a. auch Elizabeth de Clare (1295-1360), die Gründerin des Clare Colleges in Cambridge. Ihr Wappen ist in einem der Türstöcke eingemeißelt. Doch das Klosterleben fand 1536 ein abruptes Ende, als Heinrich VIII damit begann die Klöster aufzulösen. Das Kloster geriet in die Hände eines Anwalts, John Hyde, der die Dächer entfernen ließ, inklusive dem Dach der Kirche, um die Materialien beim Bau seines neuen Hauses Madingley Hall in Cambridge zu verwenden. Für Anglesey bedeutete dieses Recycling, dass die Klostergebäude, Wind und Wetter ausgesetzt, langsam verfielen.
So ist es kein Wundern, dass heute kaum etwas von den mittelalterlichen Ursprüngen, des Hauses erhalten geblieben ist. Dennoch hatten wir, als wir vor dem Haus standen, den Eindruck an einem Platz mit einer langen Geschichte zu sein. Steinköpfe an Türstöcken, dicke alte Holztüren mit Metallbeschlägen schienen aus der Zeit zu stammen, als in Anglesey noch Mönche lebten. Doch die meisten dieser Dinge sind erst in späterer Zeit hierhin gelangt und wir verdanken es den späteren Besitzern, des Hauses und des Anwesens, das man auch heute noch die Geschichte des Hauses mit allen Sinnen wahrnehmen kann.
1596 erwarb die Fowkes Familie den Besitz. Sie sind verantwortlich dafür, dass 1609 aus dem ehemaligen Kloster ein Wohnhaus wurde. Die Gartenfront mit den Fenstern mit schmalen vertikalen Unterteilungen stammt aus dieser Zeit. Spätestens als wir hier standen, hatte ich mich in das Haus verliebt. Umgeben von grünen Rasenflächen, berankt mit Rosen in zartem Rosa und kräftigen Rot, liegt es scheinbar unberührt vom Lauf der Zeit. Wir spazierten zunächst durch die Gärten rund um das Haus. Hohe Hecken formen grüne Gartenzimmer, die mit antiken Statuen geschmückt sind, die der letzte Besitzer im 20. Jh. gesammelt hat. Blumenbeete setzten farbliche Akzente. Viele Bänke luden zur Rast zwischen duftenden Blüten ein. Ein guter Platz um im Führer nachzulesen, wie die Geschichte des Hauses weiterging.
1625 kaufte Thomas Hobson, ein Transportunternehmer aus Cambridge, Haus und Besitz. Er war als Kurier für die Post zwischen London und Cambridge zuständig und transportierte auf stabilen Karren Güter von und in die englische Hauptstadt. So war er ein reicher Mann geworden. Genau wie die heutigen Schwertransporte machte man ihn auch damals für Straßenschäden verantwortlich. Seine Pferde waren in einem Stall in der Nähe des St. Catherines College untergebracht und wenn er sie nicht für sein Transportunternehmen benötigte, verlieh er sie an Studenten und Professoren der Universität Cambridge. Hobson stellte bald fest, dass die am häufigsten ausgeliehenen Pferde, genau die waren, die besonders schnell waren. Das wird niemanden verwundern, doch genau dies führte dazu, dass die Tiere oft erschöpft und überarbeitet waren. Um seine Pferde zu schützen führte er ein striktes Rotationssystem ein. Der Kunde musste das Pferd nehmen, das am nächsten zur Tür stand. Er hatte keine Wahlmöglichkeit. Noch heute spricht man in Großbritannien in einer Situation, wo man im Grunde keine Wahl hat, davon vor „Hobson’s choice“ zu stehen.
Thomas Hobson (1544-1631), http://en.wikipedia.org/wiki/File:ThomasHobson.jpg
Bei seinem Tod 1630 hinterließ er einen Teil seines Vermögens für die Gründung eines Armenhauses und die Verbesserung der Wasserversorgung von Cambridge. Anglesey erbte sein Schwiegersohn, Thomas Parker, dessen Familie es für den Rest des Jahrhunderts besaß. Danach ging es durch verschiedene Hände. Ein bekannter Besitzer war Sir George Downing (1685-1749), dessen Großvater die Downing Street in London ihren Namen verdankt. Mit nur 15 Jahren wurde er gegen seinen Willen mit seiner 13 Jahre alten Kusine verheiratet. Die beiden versuchten vergeblich ihre Ehe annullieren zu lassen. So wundert es nicht, dass die Ehe kinderlos blieb. Auch sein Erbe und Cousin, Sir Jacob Downing, starb ohne Nachkommen. Dies führte nach dem Tod zu einem fünfzig Jahre andauernden Rechtsstreit, wer nun Anglesey und den restlichen Besitz erben sollte, denn Sir George hatte in seinem Testament festgelegt, dass sein Besitz, sollte die Linie der Downings aussterben zur Gründung eines Colleges in Cambridge verwendet werden sollte. Eine Bestimmung mit der die Witwe seines Cousins nicht einverstanden war. Am Ende verlor sie den Prozess und Downing College wurde gegründet. Angelsey wurde verkauft. In dieser Zeit dienten die übriggebliebenen mittelalterlichen Gewölbe des Hauses als Hühnerstall. Erst rund 100 Jahre später, sollte das Haus wieder aus seinem Dornröschenschlaf aufwachen.
1848 kaufte der Vikar der benachbarten Gemeinde von Bottisham, John Hailstone, Anglesey. Er verpasste seinem Besitz vermutlich den Namen Anglesey Abbey. Obwohl er sich für die Geschichte des Hauses interessierte und am Erhalt der Bausubstanz interessiert war, ließ er zu seinem großen Bedauern Teile der noch vorhandenen mittelalterlichen Bausubstanz abreißen um Platz für neue Ställe zu schaffen und ließ auch einige Veränderungen an den später entstandenen Gebäuden vornehmen. Bis 1888 verblieb der Besitz in seiner Familie, bis er an einen weiteren Geistlichen, James Clark verkauft wurde, der bis 1912 in Anglesey lebte und dort viele Garten Partys für seine zahlreichen Cousins veranstaltete.
Ihr heutiges Aussehen verdanken Haus und Parkanlagen dem Mann, der 1926 Anglesey Abbey zusammen mit seinem Bruder erwarb: Huttleston Broughton, der 1. Lord Fairhaven. Als sie es kauften, sahen er in dem Anwesen zunächst nur eine Basis von der aus er, Rebhühner jagen, seine Pferde auf der nahegelegenen Rennbahn in Newmarket starten lassen und das Familiengestüt in Great Barton überwachen konnte. Doch der Ort nahm ihn gefangen und sollte die nächsten vier Jahrzehnte sein Leben bestimmen. Er ließ einen der großen Gärten des 20. Jh. gestalten und Anglesey vergrößern und verschönern, um einen angemessenen Rahmen für seine hervorragende, abwechslungsreiche Kunstsammlung zu schaffen.
Wie gut ihm das gelungen ist, konnten wir uns bei unserer Besichtigungstour durch das Haus überzeugen. Altes und Neues ist auf harmonische Weise mit einander verbunden. Die wenigen mittelalterlichen Überreste sind effektvoll in Szene gesetzt und mit neuen Räumen verbunden, die historische Elemente aufgreifen. Gleichzeitig hat das Haus genug modernen Komfort, dass wir uns sofort vorstellen konnten, hier zu leben. Allerdings müsste man dann über ein ähnliches Vermögen verfügen wie Lord Fairhaven. Er hatte das Glück in eine reiche Familie hineingeboren zu werden. Wie der Name, den er auf Rat seiner Mutter für seinen Adelstitel gewählt hat, verrät, dass seine Ursprünge im Osten der USA lagen.
Lord Fairhavens Großvater war Henry Huddleston Rogers. Er begann seinen wirtschaftlichen Aufstieg als Verkäufer von Petroleum in Fairhaven im Massachusetts. 1861 verließ er sein Zuhause um sein Glück auf den Erdölfeldern Pennsylvanias zu machen, wo man das Schwarze Gold vor zwei Jahre entdeckt hatte. In seinem ersten Jahr verdiente er 30.000 Dollar. 1874 verkaufte er seine Ölfelder an John D. Rockefellers Standard Oil, die die Erdölindustrie zu dominieren begannen, blieb aber als Direktor in der Firma und wurde 1890 ihr Vizepräsident. Der Höllenhund Rogers war ein ratsloser, erfolgreicher Magnat, der auch zahlreiche Anteile von Eisenbahn- und Minengesellschaften besaß. Als er 1909 starb hatte er ein Vermögen von 100 Millionen Dollar angehäuft. Im Privatleben war er im Gegensatz dazu warmherzig und humorvoll. Er war ein großzügiger Wohltäter für seine Heimatstadt, der er eine Bücherei, eine Rathaus, eine Kirche und eine Schule spendete. Sich selbst baute er dort ein riesiges hochherrschaftliches Haus. Er war mit dem Schriftsteller Mark Twain befreundet und rettete ihn 1894 vor dem Bankrott. 1895 lernte seine kürzlich verwitwete Tochter Cara, Urban Broughton kennen, einen jungen Englischen Ingenieur, sie verliebte sich in ihn und sie heirateten im November desselben Jahres.
Der Vater von Lord Fairhaven, Urban Broughton, hatte die ersten Erfahrungen als Ingenieur beim Bau der Hafenbecken von Felixstone gemacht von 1883-1885. 1887 war er in die USA gegangen um beim boomenden Eisbahnbau Kariere zu machen. Die machte er dann auch, wobei er zusätzlich für die Bergbauindustrie und im Finanzmanagement arbeitete. Als er Cara traf, arbeitete er daran das Abwassersystem Fairhavens zu verbessern. 1896 wurde sein erster Sohn, Huttleston geboren, 1900 kam der zweite Sohn Felix zur Welt. Bis 1912 blieben die Broughtons in den USA. Dann kehrten sie nach Großbritannien zurück und Huttlestone wurde auf die Harrow School geschickt, eine der bekanntesten englischen Privatschulen, deren prominentester Absolvent Winston Churchill ist. Später absolvierte der die Militärakademie Sandhurst und 1916 mitten im I. Weltkrieg trat er den Dienst in den Life Guards an. Bis 1924 blieb er in diesem Regiment. Als er und sein Bruder Anglesey kauften, trafen sie die Vereinbarung, dass derjenige von ihnen, der als erster heiraten würde, seinen Anteil an dem Besitz dem anderen verkaufen sollte. Henry heiratete 1932 und so wurde Lord Fairhaven der alleinige Besitzer. Den Titel hatte er 1929 zusammen mit seiner Mutter erhalten. Ursprünglich sollte der Titel seinem Vater verliehen werden, doch der starb bevor es geschehen war.
Von 1926 1927 begannen Huttleston Brougthon und sein Bruder Henry damit wesentliche Umbauten in Anglesey durchführen zu lassen, die sie sorgfältig in einem Fotoalbum mit vorher und nachher Bildern dokumentierten. An der Südfront ließen sie wieder die Mansarden- fenster einsetzen, die Hailstone hatte entfernen lassen. Die Mittelalterliche Krypta wurde in ein Speisezimmer umgewandelt, in dem eine Viktorianische Veranda, die vor ihr gelegen hatte, an das Ost Ende des Hauptkorridors verlegt wurde. Dieser wurde zur langen Galerie, die mit einem Rippengewölbe und einer Steinwendeltreppe am anderen Ende verschönert wurde. Im Speisezimmer wurde der Viktorianische Kamin durch einen ersetzt, der einen mehr mittelalterlichen Eindruck machte. Im Erdgeschoss des Südflügels wurden zwei Räume zusam- mengelegt um ein größeres, gemütliches Wohnzimmer zu schaffen. Der benachbarte Raum wurde ebenfalls umgestaltet. Er erhielt eine Wandvertäfelung aus Eiche aus dem frühen 17. Jh. und wurde deshalb Oak Room getauft, eine im gleichen Stil gestaltete Stuckdecke vervollständigte den Raum im Old English Stil. Eigentlich waren solche Räume in den 1920er Jahren aus der Mode gekommen, doch so stellte der Raum die perfekte Kulisse für die Lord Fairhavens Kunstsammlung dar. 1937-1938 ließ Lord Fairhaven den Dienstbotenflügel renovieren und vergrößern. Der neue Gebäudeteil beherbergte im ersten Stock seine neue Bibliothek. 1939 1940 wurde das Haus im Norden des Speisezimmers vergrößert um Platz für eine großzügige Eingangshalle und ein Treppenhaus zu schaffen.
Obwohl wir schon einige Häuser in Großbritannien besichtigt hatten, deren wertvolle Ausstattung uns beeindruckt hatte, habe ich selten eine Besichtigung so genossen, wie die in Anglesey Abbey. Das Haus vermittelt eine harmonische, friedliche Atmosphäre. Man spürt, dass der Hausherr sich hier wohlgefühlt hat und es ihm Freude machte jedes Detail seines Zuhauses zu gestalten. Die exquisiten Kunstgegen- stände Gemälde, Uhren und Skulpturen – vermitteln nicht den Eindruck, dass hier jemand mit seinem Wohlstand angeben wollte, sondern tragen jedes für sich zu dem einladenden, eleganten und trotzdem gemütlichen Gesamteindruck des Hauses bei. Ich hätte große Lust gehabt mich auf eins der Sofas vor dem Kamin in der Bibliothek zu setzen und in den Büchern zu lesen.
Als letzte große Umbaumaßnahme ließ Lord Fairhaven schließlich im Norden des Hauses einen neuen doppelstöckigen Anbau errichten, der sich harmonisch an den Stil der alten Gebäude anschließt. Er ist über eine Gebäudebrücke mit dem Haus verbunden und enthält einen der Gemälde aus Lord Fairhavens sehenswerter Sammlung. Im ersten Stock kann man ausschließlich Ansichten von Windsor Castle bewundern, im Erdgeschoss sind die schönsten Bilder von alten Meistern untergebracht.
Während wir das Haus besichtigten konnten wir uns mit Hilfe unseres Führers, den wir am Eingang gekauft hatten, vorstellen, wie der Alltag in Anglesey ausgesehen hat, als Lord Fairhaven hier lebte. Er hatte genug Geld um im 20. Jh. das Leben eines Gentlemans des 19, Jh. zu führen und seine Angestellten halfen ihm dabei, dies mit Stil zu tun. Dabei begann der Tag für die Hausmädchen früh am Morgen um 6:30. Sie begannen damit die wichtigsten Räume sauber zu machen. Der Hall Boy, der von Rang her niedrigste und jüngste Bedienstete eines Haushaltes, hatte ihnen dann schon die Holzscheite gebracht, die gebraucht wurde, um die Kaminfeuer anzuzünden. Im Wohnzimmer, dem Oak Room und dem Speisezimmer brannte den ganzen Winter über ein Feuer. Eine Zentralheizung sorgte zusätzlich dafür, dass es im ganzen Haus angenehm warm war und ein eigener Stromgenerator versorgte die elektrische Beleuchtung mit Strom.
Ein Diener brachte dann ein Tablett mit einer Tasse Tee, eine Zeitung und den Speisenplan des Tages hinauf zu Lord Fairhaven ins Schlafzimmer. Er bereitete ihm ein Bad vor und während sein Herr badete, legte er einen der 50 Anzüge für ihn bereit. Es gab Schuhe für jede Gelegenheit und sie wurden so selten getragen, dass sie alle wie neu aussahen. Zu jeder Jahreszeit trug Huttleston Broughton eine Nelke im Knopfloch eine farbige den Tag über, eine weiße am Abend. Das Frühstück nahm er im Speisezimmer ein, dann beschäftigte er sich mit seiner Korrespondenz in der Bücherei und übermittelte den Angestellten seine Anweisungen über die Diener, Gerald Munday. Einmal in der Woche aß er mit seinem Gutsverwalter zu Mittag. Das Personal hatte den Nachmittag oft zur freien Verfügung, denn, da es der Haushalt eines Junggesellen war, war der leicht zu führen. Die meiste Zeit des Jahres lebte der Lord in Angelsey, gelegentlich fuhr er nach London, um neue Exponate für seine Sammlung zu erstehen. Dann wohnte er meist bei seiner Mutter, in deren elegantem Haus in Maifair. Außerdem hatte er ein Ferienhaus an der See in Aldeburgh. Diese Reisen unternahm er in einem mitternachtsblauen Rolls-Royce, den sein Chauffeur, in einer blauen Uniform mit silbernen Knöpfen chauffierte. Er legte großen Wert auf Pünktlichkeit, aber auch darauf, dass der Wagen nie schneller als höchsten 100 km/h fuhr. Eine weitere Aufgabe seines Chauffeur Grimes war es, jeden Abend in Cambridge die Abendzeitung zu holen.
Lord Fairhaven zog sich immer zum Abendessen um, er hasste es, alleine zu essen, und lud deshalb oft Gäste ein. So war er meist von einem kleinen Kreis enger Freunde umgeben, wozu Akademiker aus Cambridge, Trainer von der Rennbahn in Newmarket, lokale Geistliche und Offiziere gehörten. Die Speisen die serviert wurden alles typisch englische Kost waren von bester Qualität und wurden von seinem Chefkoch Allen zubereitet und von dem Butler, gekleidet im Frack mit weißer Krawatte, serviert. Lord Fairhaven mochte besonders pikante Gerichte und trank dazu Weißwein oder Champagner. Zum Abschluss des Abendessens gab es dann einen Whiskey mit Soda. Nach dem Abendessen zogen sich Gastgeber und seine Gäste in den Oak Room zurück. Um neun Uhr wurde die Unterhaltung stets unterbrochen, wenn der Butler ein Radio auf einem Silbertablett hereinbrachte, so dass man den Nachrichten der BBC lauschen konnte.
Von klein auf war Huttleston Brougthon in einer Umgebung aufgewachsen, in denen Kunst zum Alltag gehörte. Als Kind hatte er im ersten Jahrzehnt des 20. Jh. zusammen mit seinem Vater die luxuriösen Häuser der Vanderbilts und Rockefellers voll von erlesenen Gemälden und wertvollen Kunstobjekten. Seine Mutter hatte sein Elternhaus in Mayfair in einem ähnlichen feudalen Stil eingerichtet. Lord Fairhaven begann seine Kunstsammlung zunächst recht konservativ. Er kaufte Gemälde auf denen Sportereignisse oder militärische Motive dargestellt waren, die sein Hobby die Pferderennen und seine militärische Laufbahn bei den Life Guards widerspiegelten. Zwischen 1930 und 1950, als der Kunstmarkt eher schwach war, gab er große Summen bei den Händlern in London und den Antiquitätenläden in Cambridge aus. Sein Neffe erzählt, dass die Händler feuchte Hände bekamen, wenn seine beiden Onkel den Laden betraten. Sie halfen, dass einige Läden die schwierigen Zeiten überstanden. Im Laufe der Zeit gewann Lord Fairhaven als Sammler an Sicherheit, doch er behielt Zeit seines Lebens einen konservativen Geschmack. Er kaufte vor allem Gemälde und Kunstgegenstände aus der Tudor Zeit und der Viktorianischen Periode, zeigte aber auch Interesse an Skulpturen aus Deutschland und französischen Tapisserien. Er war ein großzügiger Mäzen, der nicht nur Anglesey mit all seinen wertvollen Kunstgegenständen dem National Trust hinterließ, sondern auch 1948 den Fairhaven Fund gründete, um das Fitzwilliam Museum in die Lage zu versetzen traditionelle Landschaftsgemälde zu erwerben, die er so liebte.
Nachdem wir uns das Haus angesehen hatten, machten wir noch einen Spaziergang hinüber zu der Wassermühle Lode Mill aus dem 18. Jh., die am Rande des Parkes von Anglesey Abbey liegt. Sie wurde 1982 von der Cambridgeshire Wind and Watermill Society restauriert und ist wieder voll funktionsfähig. Leider war sie aber bei unserem Besuch geschlossen. Der Spaziergang vorbei an einem Wasserlauf, auf dem gelbe Teichrosen blühten zur Mühle hin und der Weg zurück zum Auto durch einen lichten Wald und vorbei an Beeten mit immer grünen Pflanzen waren ein schöner Abschluss unseres Besuches in Anglesey Abbey, einem dessen Atmosphäre uns so gut gefallen hat, dass wir bestimmt wieder hier hin kommen werden, wenn wir auf einer Englandreise durch den Osten Englands fahren.
Der Mann, dem wir diesen schönen Vormittag verdankten, starb 1966. Er schrieb kurz vor seinem Tod: Ich freue mich besonders, dass der National Trust die Abbey drinnen und draußen und die Gärten erhält, so wie sie zum Zeitpunkt meines Todes gestaltet sind. Meine Vorstellung und Hoffnung ist, dass in einer sich verändernden Welt das Haus, seine Möbel und die Gärten und ihre Gestaltung erhalten werden sollen, als Beispiel einer Zeit und Lebensart, die schnell Vergangenheit sein wird.
Die Informationen habe aus
dem Führer: „Anglesey Abbey“ des National Trust
und von
http://www.nationaltrust.org.uk/main/w-vh/w-visits/w-findaplace/w-angleseyabbeyandgardenandlodemill.htm
http://www.parksandgardens.ac.uk/index2.php?option=com_parksandgardens&task=site&id=100&preview=1&Itemid=
http://en.wikipedia.org/wiki/Anglesey_Abbey
http://de.wikipedia.org/wiki/Augustinerorden
http://en.wikipedia.org/wiki/Thomas_Hobson
http://en.wikipedia.org/wiki/Sir_George_Downing,_3rd_Baronet
http://en.wikipedia.org/wiki/Henry_H._Rogers
http://en.wikipedia.org/wiki/Urban_H._Broughton
http://en.wikipedia.org/wiki/Urban_Huttleston_Broughton,_1st_Baron_Fairhaven
Mehr Bilder von unseren Besuch in Anglesey Abbey gibt es hier: