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Auch der zweite Urlaubsmorgen begann mit Sonnenschein, obwohl Regen vorhergesagt worden war. Wir waren zwar nicht so ganz sicher, ob wir dieses Wetter wirklich verdient hatten, aber wir freuten uns sehr darüber und rollten nach einem Frühstück mit Spiegelei und Kaffee – schließlich waren wir ja in Großbritannien – unternehmungslustig los Richtung Norden. Auf dem Weg zum ersten Tagesziel warnte uns eine Tafel vor einem Stau auf der Slip Road, die uns von der einen Autobahn auf die andere bringen sollte, aber auch diese Vorhersage stellte sich als falsch heraus. Wir kamen ohne störende Zwangspausen an unserem ersten Tagesziel an. An diesem Montag schienen wir wirklich Glück zu haben.

Ightham Mote

Wir waren ein bisschen zu früh, denn das von einem Wassergraben umgebene Herrenhaus Ightham Mote mit seinen Gärten hatte erst ab 10:30 geöffnet. So stellten wir unser Auto auf dem besonders schönen Parkplatz – umgeben von einer Backsteinmauer im ehemaligen Küchengarten – unter einem Baum und vertieften uns noch ein bisschen in unsere Urlaubslektüre. Ightham Mote gehört dem National Trust, einer gemeinnützigen Organisation, der in England, Wales und Nordirland 200 historische Gebäude und Gärten, 47 industrielle Bauwerke und Mühlen, 49 Kirchen und Kapellen, einige Pubs,19 Schlösser, 2.480 km² Land und annähernd 960 Kilometer Küstenlinie gehören. Damit ist er einer der größten Landbesitzer des Vereinigten Königreiches. Jeder kann Mitglied werden und als Mitglied kann man die Sehenswürdigkeiten, die dem Trust gehören, kostenlos besuchen. Der Jahresbeitrag kostet 2010 für zwei Personen, die in einem Haushalt leben, £79.50. Und da die Eintrittspreise in England recht hoch sind, lohnt sich die Mitgliedschaft bei einer dreiwöchigen Rundreise durch England und Schottland in jedem Fall, denn man kann als Mitglied des National Trusts auch die Häuser und Gärten der Partner Organisation National Trust of Scotland kostenlos besichtigen. Wir sind in jedem Urlaub, den wir in Großbritannien verbracht haben Mitglied geworden, und so war uns die Prozedur vertraut, die wir erledigten, als die Tür des Eingangsgebäudes von Ightham Mote endlich geöffnet hatte. Danach stand einer Besichtigung des mittelalterlichen Hauses und der Gärten nichts mehr im Wege.

Ightham Mote

Haus, Gärten und Park liegen in einem Tal des Greensand Ridge, umgeben von einem dichten Kranz hoher Bäume. Der Parkplatz liegt oben auf einem Bergrücken und so brachte uns ein steiler Pfad abwärts und nun erst konnten wir einen Blick auf die Fachwerkbauten werfen, die zwischen den Bäumen auftauchten, wie für die Besucher effektvoll in Szene gesetzt. Ightham Mote ist eines der ältesten und am besten erhaltenen mittelalterlichen Herrenhäuser in England. Seit über 650 Jahren trotzt es Unwettern, Kriegen und Aufständen. Dabei haben ihm seine abgeschiedene Lage und die bescheidenen Ambitionen seiner zahlreichen Besitzer geholfen, die Jahrhunderte zumindest äußerlich unbeschadet und scheinbar unverändert zu überstehen. Die wechselnden Hausherren haben ihren Bedürfnissen entsprechend neue Teile hinzugefügt und alte umgebaut, dabei blieb aber der ursprüngliche Charakter des Anwesens erhalten. Sie machten das Haus innen komfortabel, achteten aber darauf, dass es von außen weiterhin, wie ein Haus aus dem Mittelalter wirkte.

Ightham Mote

Die ersten Gebäude wurden um 1320 errichtet, sie standen im Westen des nahezu quadratischen Grundstücks, das von Beginn an, von einem Wassergraben umgeben war. Vermutlich lagen hier auch die Unterkünfte für die Maurer und Zimmerleute, die an der östlichen Seite des Quadrats das herrschaftliche Gutshaus mit einer zentralen großen Halle errichteten, deren Entstehung auf das Jahr 1330 datiert wird. Im Westen lag auch der Zugang zu der Anlage, eine Brücke führte zu einem Torhaus, durch das die Besucher schritten, bevor sie dem Edelmann von Ightham Mote ihre Aufwartung machten. Man kennt den Namen des Bauherrn nicht, aber es muss ein wohlhabender Mann gewesen sein. Einer der ersten Besitzer war Sir Thomas Crane, der von 1360 bis 1374 hier lebte. Sein Grab kann man in der Kirche des im Norden liegenden Dorfes Ightham besuchen. Es wird von der lebensgroßen Statue eines Ritters in einer Rüstung geschmückt. In einer solchen könnte Sir Thomas am 26. August 1346 zusammen mit dem schwarzen Prinzen in Crécy gekämpft haben, wo den Engländern ein vernichtender Sieg über die Franzosen glückte.

Bild: John Gilbert (1817–97), Heinrich V. in der Schlacht von Azincourt http://en.wikipedia.org/wiki/File:King_Henry_V_at_the_Battle_of_Agincourt,_1415.png

Im 15. Jh. war das Quadrat bereits wie heute rundherum mit Gebäuden bebaut, die einen großen offenen Hof umgaben. Nun gab es zwei Brücken über den Graben, eine im Süden, eine im Westen. 1399 war das Anwesen in den Besitz von Sir Nicholas Haute gelangt. Er besaß noch andere Güter in Herfordshire und Cambridgeshire, die ihm wohl besser gefielen als Ightham, weil von ihm keine Spuren einer Bautätigkeit übrig geblieben sind. 1415 hob er in Kent eine Kompanie Bogenschützen für Heinrich V. aus, die für dessen Invasion in Frankreich bestimmt waren, an der er vermutlich teilnahm. Sir Nicholas starb kurz darauf, vielleicht während der Schlacht von Azincourt im Oktober 1415.

Elizabeth Woodville (1437–92) , http://en.wikipedia.org/wiki/File:ElizabethWoodville.JPG

Sein Sohn William, der auch in Frankreich kämpfte, erbte Ightham. Er heiratete 1429 in Calais Joan Woodville, die Tante Elizabeth Woodvilles, die später die Frau Edward IV. werden sollte. Dadurch stieg das Ansehen der Familie beachtlich. Doch die Nähe zum Könighaus brachte es auch mit sich, dass William und seine Nachkommen auf verschiedenen Seiten in die Kämpfe der Rosenkriege verwickelt waren. William unterstützte 1450 die Rebellion des Jack Cade, dem sich viele Bauern und Handwerker angeschlossen hatten, aber auch einige Soldaten und Seeleute, die nach dem Ende des Hundertjährigen Krieges eine neue Aufgabe suchten. Auch einige Grundbesitzer gehörten zu der Rebellenarmee, die nach London marschierte mit dem Ziel den in ihren Augen unfähigen König Heinrich VI. zu stürzen. William Haute hatte Glück, dass sein Cousin, Lord Rivers, der die Rebellion niederschlug, sich für ihn einsetzte, und er so beim König nicht in Ungnade fiel.

Ightham Mote

Sein Sohn Richard Haute, kämpfte im Oktober 1483 an der Seite seiner Cousins aus der Familie Woodville gegen Richard III. Nach dem überraschenden Tod seines Bruders Eduard IV. am 9. April 1483, hatte Richard die günstige Gelegenheit genutzt, die beiden Söhne Eduards, den erst zwölf Jahre alten Thronfolger Eduard V, und seinen Bruder Richard, der neun Jahre alt war, in den Tower gebracht und sich selbst durch das Parlament zum rechtmäßigen König erklären lassen. Die beiden Kinder verschwanden im Laufe des Spätsommers, vermutlich wurden sie ermordet. Was genau geschehen ist und wer den Befehl dazu gab, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Richard III. ließ die Verwandten Elizabeth Woodvilles aus den Hofämtern entfernen. Und diejenigen, die sich zusammen mit ihnen gegen ihn wehrten, bekamen den Zorn des neuen Königs zu spüren. Richard Hautes Besitz wurde konfisziert, als die Rebellion seiner Cousins scheiterte. Er erhielt seinen Besitz aber im März 1485 wieder vom König zurück.

Ightham Mote

Richard Haute und sein Sohn Edward ließen die Gebäude im Nord- und Südflügel, die die letzten Lücken rund um den Hof schlossen, und die Häuser im Westen außerhalb des Wassergrabens errichten und modernisierten die Küche und die angrenzenden Räume im Süden der Halle. Das Anwesen hatte nun eine beachtliche Größe erreicht. Das Haus hatte um die 70 Zimmer, bot einigen Komfort, zum Beispiel große Schlafzimmer im Turm und verfügte über fünf Treppen, die die zwei – teilweise sogar drei – Stockwerke miteinander verbanden. Ob Edwards aufwändige Baumaßnahmen daran schuld waren oder der Ärger, den sein Vater in der Vergangenheit bei der Krone verursacht hatte, 1518 geriet er in finanzielle Schwierigkeiten. Er musste das Gut verpfänden und ein Jahr später verkaufen.

Ightham Mote

Im 16. Jh. wurden weiter Gebäudeteile hinzugefügt, die Große Halle erhielt hohe Fenster und im Westflügel wurde über dem Hauptzugang der Anlage ein Turm errichtet, der der Schokoladenseite des Anwesens ein repräsentatives Aussehen verlieh. Damals gehörte das Haus den Clements. Sir Richard Clement wurde 1478 als jüngerer Sohn einer Landadelsfamilie aus Sussex geboren. Da er keinen eigenen Landbesitz hatte, trat er in die Dienste König Heinrich VII. und wurde ein Page im Schlafzimmer des Königs. Als Heinrich VIII. seinen Vater beerbte, gelang es Sir Richard einen unbedeutenden Posten am Hof zu erlangen. Schließlich heiratete er eine reiche Witwe, mit deren Geld er Ightham Mote kaufte. Seine Verbundenheit mit dem König drückte er dadurch aus, dass er Fenster und Holzvertäfelung in Haus, mit den Wappen Heinrich VIII. und seiner einer ersten Frau Katharina von Aragon schmücken ließ. Als Sir Richard Clement 1538 starb und in der Dorfkirche Ighthams beerdigt wurde, war diese Königin bereits Geschichte und ihre beiden Nachfolgerinnen auch und der englische König, war auf der Suche nach seiner vierten Frau.

Ightham Mote

In den folgenden Jahrhunderten wurden die Gebäude nur noch modifiziert und letzte Baulücken geschlossen. 1592 kaufte Sir William Selby I Ightham Mote für £ 4.000. Fast 300 Jahre sollten nun die Selbys hier leben. Im 17. Jh. ersetzten sie Fachwerk durch Stein im ersten Stock des Westflügels, bauten eine neue Treppe, die die Halle mit den Räumen im ersten Stock verband, fügten ein oder zwei Räume zu diesem Gebäudeteil hinzu und ließen einen Kamin im Stil Jakob I. im Salon einbauen. Es gab neue Fenster und für die Küche neue Kamine. Man weiß nur wenig davon, wie ihr Leben in Ightham in dieser Zeit ausgesehen hat. Nichts wird berichtet von den Menschen, die in den Mauern des Herrenhauses geboren wurden, die hier gestorben sind. Keine Briefe oder Tagebücher erzählen vom Liebesglück und –kummer, Glücks- oder Unfällen, Auslandsreisen oder Besuchern und von dem Alltag der Menschen. Dabei waren die Selbys keine unbedeutenden Leute. Sir William Selby hatte als er 1612 als Junggeselle starb eine lange militärische Karriere hinter sich gebracht, die begonnen hatte, als er mit 13 Jahren an den Kriegen Heinrich VIII. gegen die Schotten teilnahm.

Ightham Mote

Sein Erbe war sein Neffe, der auch William hieß. Dessen größte Stunde kam, als er 1602 Jakob IV. von Schottland die Schlüssel von Berwick-upon-Tweed überreichen konnte, als dieser auf dem Weg nach London war, um als Jakob I. auch englischer König zu werden. 1604 heiratete Sir William Dorothy Bonham, die als er 1638 mit 88 Jahren starb, Ightham Mote erbte. Sie überlebte ihn um drei Jahre. Ihre Grabfigur in der Kirche von Ightham zeigt sie als Witwe und da sie berühmt war für ihre mit bunter Wolle und Seide gestickten Tapisserien, schmücken einige Reproduktionen ihrer Werke den farbigen Putz hinter ihrem Grabmal. Eines davon zeigt ihre Version des Gunpowder Plots und vielleicht hat dieses Bild zu der Legende geführt, die sie zu einer der Protagonisten in der Aufdeckung dieser Verschwörung machte.

Bild: Crispijn van de Passe the Elder, http://en.wikipedia.org/wiki/File:Gunpowder_Plot_conspirators.jpg

1605 plante Robert Catesby zusammen mit dem Sprengstoffexperten Guy Fawkes und einigen anderen katholischen Mitverschwörern den protestantischen König von England Jakob I., seine Familie, die Regierung und alle Parlamentarier bei der Parlamentseröffnung am 5. November in die Luft zu sprengen. Rund 2,5 Tonnen Schießpulver wurden dazu in den Kellern des Parlamentsgebäudes deponiert. Ziel der Verschwörer war es Jakobs katholische Tochter Elisabeth von Böhmen zur Königin krönen zu lassen. Der katholische Lord Monteagle, ein Cousin von Dorothy Selby, erhielt am 26. Oktober 1605 einen geheimnisvollen Brief von einem anonymen Verfasser, der ihm empfahl, wenn er sein Leben retten wolle, unter einem Vorwand nicht an der Parlamentseröffnung teilzunehmen, da das Haus „einen schrecklichen Schlag erhalten“ werde. Monteagle zeigte den Brief Robert Cecil, dem Earl of Salisbury, einem Mitglied der Regierung. Als Folge wurden Guy Fawkes und das Schießpulver am Morgen des 5. November entdeckt. Unter Folter gestand er seine Verbrechen und nannte die Namen seiner Mitverschwörer, die sofort verhaftet wurden. Der Attentatsversuch war gescheitert. Bis heute feiert man in Großbritannien die Verhinderung des Attentats mit einem Straßenumzug in der Guy Fawkes Night am 5. November, bei dem eine Guy-Fawkes-Puppe verbrannt wird und Feuerwerke entzündet werden. Sie wird auch Bonfire Night oder Fireworks Night genannt.

Ightham Mote

Eine Legende erzählt nun, dass Dorothy Selby, selbst auch eine strenge Katholikin, den Brief, der zum Scheitern des Komplotts geführt hat, geschrieben habe. Die Verschwörer hätten sie später für ihren Verrat bestraft. Sie hätten sie in einem kleinen Raum im Turm von Ightham Mote bei lebendigem Leib eingemauert. 1872 sollen Arbeiter, als sie bei Reparaturarbeiten im Haus eine Wandvertäfelung entfernten, diesen Raum gefunden haben und in ihm das Skelett einer Frau auf einem Stuhl. Obwohl man bis heute den Absender des Briefes nicht kennt, ist man sich sicher, dass nicht Dorothy Selby ihn geschrieben hat. Und auch die Geschichte von ihrem Tod stimmt nicht. Sie starb 1641, 36 Jahre nach der Verschwörung, an einer Infektion, die sie sich durch einen Stich mit einer verunreinigten Sticknadel zugezogen hatte.

Ightham Mote

Nach Dorothys Tod erbte ein Neffe ihres Mannes Ightham Mote und nach ihm folgten mehrere Generation der Familie, die Besitzer hießen oft John oder William und sorgten mit kleinen Umbaumaßnahmen dafür, dass es im Innern des Hauses immer wohnlicher wurde. Der Salon erhielt ein Venezianisches Fenster, das für mehr Licht sorgte. Die letzte in der Reihe der Selbys, der Ightham Mote gehörte, war von 1867- 1889 die Tochter von Prideaux John Selby, Marianne.

Ightham Mote

Das Haus steckte in einer Art Dornröschenschlaf, aus dem es aufgeweckt wurde, als es von 1887 bis 1990 an den Amerikanischen General William Jackson Palmer vermietet wurde. Er hatte im amerikanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Union gekämpft und war im Zivilleben ein Ingenieur und Industrieller, der einen bedeutenden Anteil am Ausbau des Eisenbahnnetzes in den Vereinigten Staaten hatte. Er hatte 1871 Colorado Springs gegründet, einer der beliebtesten Ferienorte in den Rocky Mountains. Der lebenslustige Mann und seine Frau Queenie luden ihre zahlreichen Freunde und Bekannten nach Ightham ein, zu denen die Maler Edward Burne-Jones und John Singer Sargent und der Schriftsteller Henry James gehörten. Er schreibt über das Haus: „Der flinke, blaue Wassergraben fließt um es herum, sein Hof ist ein unberührtes Stück aus dem 14. Jahrhundert und sein alter Garten und die Parkanlagen müssen im Sommer entzückend sein. Ich schlief in einem Zimmer mit einem Geist und einem Kerker, aber glücklicherweise blieb der erstere in letzterem.“

Ightham Mote

Nach dem Tod der letzten Selby Erbin wurde das Haus 1889 von Sir Thomas Colyer-Ferguson erworben. Er war ein Nachkomme des Leibarztes von Queen Viktoria, ein wohlhabender Mann, dem neben Ightham Mote noch mehrere andere Häuser gehörten, die er alle im Laufe eines Jahres für einige Zeit bewohnte. Als er älter wurde, verbrachte er aber die meiste Zeit des Jahres in Ightham Mote. Er ließ notwendige Reparaturen durchführen und trug dadurch einen großen Anteil dazu bei, dass es das Haus heute noch gibt. Er verwandelte eine alte Rumpelkammer in ein Billardzimmer, modernisierte die Küche, ließ Badezimmer einrichten und eine erste Zentralheizung. Nach dem ersten Weltkrieg wurden die Gebäude mit einer Wasserver- und entsorgung versehen und ein Generator sorgte für elektrischen Strom. Es gab zwölf Angestellte im Haus, die für das Wohl der großen Familie sorgten, und acht Gärtner pflegten den Park und die Gärten. Der Hausherr legte großen Wert auf ein stilvolles Leben. Sein Abendessen nahm er im Speisezimmer an einem festlich gedeckten Tisch ein und trug dabei abwechselnd eine Smoking Jacke in Blau oder Braun.

Ightham Mote

Er starb 1951 und sein Sohn Max, der den Besitz erbte, fand sich in einer schwierigen Situation. Er hatte ein Haus geerbt, dessen Instandsetzung und Unterhalt ihn ein Vermögen gekostet hätten, das er nicht hatte. Ihm blieb keine Wahl, er musste das Haus mit allem was darin war verkaufen. Eine Sache, die sich als gar nicht so leicht herausstellte. Zwei Bauernhöfe, die zu dem Gut gehörten und ein Großteil der Innenausstattung fanden schnell Käufer, aber niemand wollte das Haus selbst kaufen, mit seinen 15 Schlafzimmern, drei Bädern und der alten Halle. Man machte den Vorschlag es in Wohnungen aufzuteilen oder abzureißen. Doch James wollte dies nicht tun. Er liebte das Haus, kannte seinen historischen Wert und wollte es der Nachwelt erhalten. Einige Privatleute aus der Umgebung kamen ihm zur Hilfe. Sie zahlten £5.500, damit es nicht abgerissen wurde. Doch sie hatten keine Ahnung, was nun mit Ightham Mote geschehen sollte, und ob sie ihr Geld jemals zurück bekommen würden.

Ightham Mote

Zwei Jahre stand das Haus leer, als in den USA Charles Henry Robinson zufällig eine der Anzeige einer alten Ausgabe von Country Life las, in der es zum Verkauf angeboten wurde. Er kannte das Haus, denn er hatte es als junger Mann entdeckt, als eine Fahrradtour durch Südengland unternommen hatte. Er wusste sofort, als er es erblickte: Dies war sein Traumhaus. Doch seitdem waren Jahrzehnte vergangen. Er reiste sofort nach England, schaute sich das Haus an und war eigentlich bereit es zu erwerben. Doch auf dem Heimweg an Bord der Queen Mary kamen ihm die ersten Zweifel, war es nicht eine ziemlich extravagante Idee, ein mittelalterliches Haus in England zu kaufen. Er schrieb einen Brief nach England, in dem er den Kauf absagte, schickte ihn aber nicht ab. Zurück in Amerika überzeugte ihn schließlich sein Bruder, seinen Jugendtraum zu erfüllen und Ightham Mote zu erwerben. Nachdem es ihm gehörte ließ er viele notwendigen Reparaturen durchführen, füllte es mit Möbeln aus dem 17. Jh., die er jahrelang gesammelt hatte. Er lebte hier 14 Wochen im Jahr und seine Neffen kommen immer noch jedes Jahr nach Ightham Mote, um einige Zeit in einem der Cottages in ehemaligen Stalltrakt zu wohnen. 1965 gab er bekannt, dass er es – da er Junggeselle war – dem National Trust vererben wollte, mit allem was im Haus war. Charles Henry Robinson starb 1985 im Alter von 93 Jahren. Zusätzlich erhielt der National Trust bei seinem Tod £68.000, die für den Erhalt des Hauses verwendet werden sollten. Die Urne mit Asche Charles Henry Robinsons ist in der Mauer der Crypta des Hauses eingemauert worden und eine Plakette erinnert heute an den Mann, der sich seinen Traum erfüllte und den Menschen – nicht nur in England – ein einzigartiges Haus erhalten hat.

Ightham Mote

Als erstes sahen wir die Ostfront Ightham Motes und die gegenüber außerhalb des vom Wassergraben umgebenen Vierecks liegende viktorianische Remise mit den Ställen, in denen heute der National Trust Laden und die Waschräume untergebracht sind. Hier liegen die ältesten Gebäudeteile, aber gleichzeitig bietet sich hier auch die uneinheitlichste Ansicht des Hauses. Man kann gut erkennen, dass im Laufe von sechs Jahrhunderten die Bauherren – ohne den Rat eines Architekten einzuholen, der auf einen geschlossenen Gesamteindruck geachtet hätte – Gebäudeteile neu errichtet und alte verändert haben. Doch gerade das macht heute den Reiz der Gebäude aus. An der linken Ecke der Front ragen sieben Kamine in den Himmel, die im 17. Jh. errichtet, später wieder teilweise abgebrochen und im 20. Jh., als das Haus dem Amerikaner Charles Henry Robinson gehörte, wieder restauriert wurden. Hier liegt schon immer die Küche des Hauses. Daneben folgen Fachwerkwände, die teilweise auf Steinfundamenten in den Wassergraben hineingebaut sind. Dies ist der Arbeitsbereich hinter der Großen Halle und hier führt eine Brücke zur „Hintertür“ des Gebäudes. Ein Fenster unten über der Wasserfläche markiert die Krypta aus dem 14. Jh., darüber berichten Fenster in verschiedenen Baustilen -unregelmäßig in der Front des aus kleinen Steinen errichten Gebäudeteils verteilt – vom wechselnden Geschmack der Bauherrn.

Ightham Mote

Wir folgten außen dem Wassergraben an der Südfront des Hauses vorbei. Das obere Stockwerk mit seinen Fachwerkwänden wirkt, als ob es die Jahrhunderte unverändert überstanden hätte. Doch dieser Eindruck täuscht. Ursprünglich waren die Wände verputzt. Doch zu Beginn des 20. Jh. erschien den damaligen Besitzern, den Colyer Fergussons, diese Bauten zu kahl und so ließen sie das obere Stockwerk mit einer Fachwerkfassade im Stil der Zeit von Elisabeth I. versehen.

Ightham Mote

Im Westen gegenüber von dem Hauptzugang des Hauses konnten wir außerhalb des Wassergrabens hinter einer schönen formalen Gartenanlage einen weitern Fachwerkgebäudekomplex sehen, der aus dem 15. Jh. stammt. Ursprünglich stand hier auch ein vierflügliges Gebäude rund um einen Innenhof, indem die Stallungen untergebracht waren und das zu der Zeit Queen Viktorias die Quartiere der Bediensteten enthielt. Ein Feuer zerstörte große Teile und so ist heute nur noch eine Gebäudezeile übriggeblieben, in denen man u. a. auch Ferienwohnungen mieten kann.

Ightham Mote

Im Nordflügel des Hauses führt eine weitere Brücke über den Wassergraben und hier liegt heute auch der Zugang für die Besucher des Hauses. Doch wir wollten uns zuerst im Garten umschauen. Neben dem Haus gibt es einen kleinen Küchen-garten von einer Steinmauer und Hecken begrenzt. Hier blühte Rittersporn, Bohnenranken kletterten an lagen Stangen nach oben und zwischen niedrigen Buchsbaumhecken wuchsen Salat- und Kohlköpfe, Kräuter und Zwiebeln. Dahinter luden Bänke neben alten Obstbäumen über einem dicken grünen Rasenteppich zur Rast ein. Rund um das Haus leuchteten Blumen in allen Farben des Regenbogens in Rabatten, Rosen rankten an den alten Mauern hoch. Wir spazierten über makellose Rasenflächen, über die man schöne Blicke auf das Haus hatte hinüber zu einem See, an dessen Rand Wasserlilien wuchsen und hinter den man unter alten Bäumen lange Spaziergänge unternehmen konnte. Doch wir waren neugierig, was uns drinnen im Haus erwartete.

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Also kehrten wir zum Haus zurück und spazierten über die Brücke in den gepflasterten Innenhof mit einem Brunnen im Zentrum und einem Taubenhaus in einer Ecke an der Wand. Auch hier gab es Bänke für eine Ruhepause und eine alte Hundehütte mit Fachwerkwänden erinnerte an Dido, den Bernadiner der Familie Colyer-Fergusson.

Ightham Mote

Drinnen erwartete uns eine Flut von Räumen, die in unterschiedlichen Stilen eingerichtet sind. Manche haben dunklen Holzpanelen an den Wänden und Ritterrüstungen stehen in den Ecken und man hat das Gefühl, dass seit Jahrhunderten die Zeit stehen geblieben ist, wie zum Beispiel die eindrucksvolle Große Halle. Andere sind angefüllt mit bequemen Sofas, chinesischen Tapeten schmücken die Wänden und viel Schnickschnack im Stil des 18.-19. Jh., steht auf Kaminsimsen und Kommoden. Zeitungen liegen auf kleinen Tischen und man glaubt, die Besitzer seien nur kurz aufgestanden und würden gleich wieder um die Ecke kommen. Unser Weg führte durch lange Korridore, die immer wieder andere Einblicke auf Lampen, Bilder und wappengeschmückte Fenster ermöglichten. Oben gab es eine Reihe von Schlafzimmern und das sogar recht moderne Badezimmer zu sehen, das Anfang de 20. Jh. eingerichtet wurde.

Ightham Mote Ightham Mote Ightham Mote

Im Erdgeschoss kann man auch die Räume der Dienstboten besichtigen. Der Arbeits- und Wohnbereich des Butlers nimmt dabei in einem viktorianischen Haushalt einen wichtigen Platz ein. Sein Schlafzimmer lag neben dem Anrichtezimmer, von hier aus führt eine besonders gesicherte Tür, zu der der Butler einen Schlüssel hatte, in den Tresor, wo das Familiensilber aufbewahrt wurde. Als letzten Raum schauten wir uns die wunderschöne weißgetäfelte Bibliothek an. Es war der Raum, in dem sich der letzte Besitzer des Hauses Charles Henry Robinson hauptsächlich aufgehalten hat. Die Einrichtung ist eine Sammlung aus Möbeln und anderen Objekten, die er sorgfältig in Antiquitätengeschäften gekauft hat. An den Wänden stehen in vielen weißen Regalen Bücher mit dunklen Lederrücken. Am liebsten hätte ich mir ein Buch ausgesucht mich auf einen der gemütlichen Sessel mit Überwürfen aus hellem geblümtem Stoff hingesetzt und darin gelesen.

Ightham Mote

Draußen schien die Sonne und wir machten noch einen kurzen Rundgang durch den Garten, widerstanden im National Trust Laden allen Versuchungen uns ein Andenken zu kaufen, obwohl uns viele Dinge, die man dort kaufen konnte, sehr gut gefielen und gönnten uns als Belohnung für diese Standhaftigkeit einen leckeren Imbiss im Restaurant, das oben neben dem Parkplatz liegt. Frisch gestärkt ging es dann weiter in Richtung unseres nächsten Ziels weiter im Norden.

Ightham Mote

Die Informationen habe ich hier gefunden:

In der Publikation des National Trusts: Ightham Mote, 2005

http://www.nationaltrust.org.uk/main/w-ighthammote

http://de.wikipedia.org/wiki/Jack_Cade
http://www.fantompowa.net/Flame/jack_cade_info.htm

http://www.richardiii.net/r3_cont_wood.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Richard_III._(England)

http://thesouthofengland.blogspot.com/2010/08/ightham-mote-in-centre-of-gunpowder.html
http://www.gunpowder-plot.org/index.asp
http://www.britannia.com/history/kaboom.html
http://www.thisiskent.co.uk/news/Dame-Dorothy-did-stop-plot-blow-Parliament/article-496846-detail/article.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Gunpowder_Plot

Mehr Bilder von Ightham Mote: http://www.flickr.com/photos/ullij/sets/72157625192523599/show/