Der Zoo de la Flèche war eine Überraschung. Wir hatten uns vor unserem Besuch im Internet informiert und schon einige Bilder aus dem Zoo gesehen, doch keinen so schönen Zoobesuch erwartet. Es ist der älteste private Zoo in Frankreich, 1946 gegründet und es gibt noch einige alte Gehege, die renoviert werden müssen. Aber der größte Teil des Zoos ist neu gestaltet und besteht aus neuen, großen modernen Tieranlagen, die ihren Bewohnern ein Zuhause bieten, das ihrem natürlichen Lebensraum ähnelt. Besonders gefreut haben wir uns über die großzügige, schöne Eisbärenanlage und die Anlagen der Wölfe und Braunbären sowie die Elefantenanlage.
Schon am Eingang wurde bei uns das Gefühl geweckt, dass wir dabei waren einen Ausflug in eine exotische Welt zu machen. Bambus schmückte das kleine Empfangsgebäude aus hellem Holz und gleich dahinter wurden wir von farbenprächtigen Aras, die auf einer Insel leben, empfangen, im Gras posten Enten für unsere Kameras. Über eine Holzbrücke gelangten wir zu einem Fenster, das uns Einblick in die üppig bepflanzte Voliere der Riesentukane gewährte, die seit 2004 in La Flèche leben.
Kaum etwas erinnert im heutigen Zoo an die Zeit, als der Zoo entstand. Jacques Bouillault, der Gründer des Zoos, wurde 1924 in La Flèche geboren. Schon als Kind beobachtete er mit großem Interesse Tiere; sein Großvater, den er den Vogel-Großvater nannte, brachte ihm bei, Eidechsen, Kröten und vor allem Vögel zu beobachten. In der Schule war Jacques berüchtigt dafür, dass er stets Tiere dabei hatte, die auch schon einmal den Unterricht störten: Grillen, Heuschrecken, eine Gottesanbeterin im Pult, eine Kröte, die in der Bibliothek auftauchte, und eine Fledermaus mitten während des Unterrichts. Der Junge widmete seine ganze Freizeit Naturbeobachtungen und lernte so die heimische Tierwelt kennen. Eine Leidenschaft, die er sein ganzes Leben nicht verlor. Als er nach dem Krieg, wie die meisten Menschen eine Arbeit brauchte um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wurde er Tierpräparator, seine Auftraggeber waren hauptsächlich Jäger. Er lebte mit seiner Frau in einem kleinen Haus im Wald auf einem abgelegenen, sieben Hektar großen Grundstück, das man wegen des dort vorhandenen roten Sandes „Tertre Rouge“ nannte, den roten Hügel.
Wie bereits in seiner Kindheit begann er sich mit lebenden Tieren zu umgeben: ein Bussard – er hieß Butéo, Schleiereulen, Dachse, Jäger brachten ihm einen Fuchs. Bouillault baute Volieren, Käfige und Gehege für seine Tiere mit einfachem Werkzeug, ohne Maschinen. Er lebte mit seinen Tieren und für seine Tiere und schaffte es, dass auch die Tiere untereinander ungewöhnliche Freundschaften schlossen. Der Fuchs hatte sich mit einer Henne angefreundet, der Bussard lebte zusammen mit einer Ringeltaube.
Er selbst erzählte aus dieser Zeit: „Und bald verbreitete sich das Gerücht, dass es in der Region, in Tertre Rouge, nicht weit von La Flèche ein Original gebe, der ein Experiment in der Einsamkeit durchführe: mitten unter wilden Tieren zu leben und sich gut mit ihnen zu verstehen. Die Leute begannen vorbeizukommen und mich zu sehen.“
Heute prägen moderne Tieranlagen, die mit einheimischen und exotischen Pflanzen, Baumstämmen und Felsbrocken gestaltete sind das Erscheinungsbild des Zoos. Eigentlich hatten wir ja vor, zügig zu der Eisbärenanlage zu gehen, aber immer wieder wurden wir aufgehalten. Nicht weit vom Eingang liegt das Gehege der weißen Löwen, das Ende 2008 teilweise neu gestaltet und vergrößert wurde. Die Dromedare mussten dafür in eine andere Anlage umziehen. Hier leben nun Nikita und Jabu, die im April 2008 im Zoo ankamen, ein Löwenpaar, das von einer Aufzuchtfarm in Südafrika importiert wurde, um für mehr genetische Vielfalt in Population der weißen Löwen in europäischen Zoos zu sorgen. Sie waren damals etwas mehr als ein Jahr alt. Wie bei einigen anderen Gehegen auch, ist ein Teil der Anlage der Löwen mit Absperrung mit waagerechten Holzplanken begrenzt, die den Zuschauern nur Einblick durch Glasfenster bieten.
Es gab schon immer Geschichten und Legenden von weißen Löwen in Afrika, aber erst 1975 wurde der erste weiße Löwe in dem Wildgehege Timbavati in Südafrika von einem Menschen tatsächlich gesehen. Ein junger amerikanische Wildhüter, Chris McBride, beobachtete damals mit seinem Fernrohr ein Rudel Löwen mit Jungtieren. Aufgeregt stellte er fest, dass zwei der Jungtiere schneeweiß waren. Er dachte zunächst, es seien Albinos. Doch dann hätten sie rote Augen gehabt. Die Augen der Löwenbabys waren aber strahlend blau.
Die Ursache der Fellfarbe, die durch ein rezessives Gen vererbt wird, ist eine seltene Mutation, man nennt sie Leukismus. Da weiße Löwen für potenzielle Beutetiere leichter zu sehen und auch selbst ein leichtes Opfer z. B. für Hyänen sind, haben solche Tiere es schwerer, in der Natur zu überleben. So landeten die beiden weißen Löwen, die McBride monatelang bebachtet und sie Temba und Tombi genannt hatte, schließlich im Zoo von Pretoria, weil sie in der freien Wildbahn verhungert wären. Seit 1992 werden sie systematisch gezüchtet, heute soll es etwa 70 Tiere in zoologischen Einrichtungen auf der Welt geben. Sie sind nicht immer so weiß, wie die beiden besonders schönen, jungen Tiere des Zoos La Flèche. Jabu und Nikita schliefen friedlich im Schatten von Bäumen mitten in ihrem schönen Gehege und würdigten uns leider keines Blickes.
Die erste Löwin, Sultane, damals sechs Monate alt, zog 1957 auf den roten Hügel. Da war aus den bescheidenen Anfängen schon ein richtiger Zoo mit einer Fläche von zwei Hektar geworden. 1946 hatte der rege Zuspruch, den seine kleine Menagerie einheimischer Tiere fand, Jacques Bouillault veranlasst, seine Tiersammlung öffentlich bekannt zu machen und die Besucher um einen freiwilligen Obolus von 20 Centimes zu bitten. Er ließ Eintrittskarten drucken, legte sie auf einem Tisch neben einem Kasten für das Geld und wartete auf die Besucher. Es war die Geburtsstunde des „Parc Zoologique de Terte Rouge“, obwohl niemand ihn zu diesem Zeitpunkt einen Zoo nannte. Es war gar nicht das Ziel von Jacques Bouillault einen Zoo zu gründen. Er hatte mit der Forderung des Eintrittsgeldes zwei Ziele verfolgt: vor allem hoffte er so die Anzahl der Besucher zu limitieren, um unerwünschte Störungen bei seiner Arbeit als Tierpräparator zu vermeiden, aber auf der anderen Seite sollten die Einnahmen auch helfen, die ständig wachsende finanzielle Belastung, die seine bescheidene Tiersammlung für ihn und seine junge Frau darstellte, zu meistern. Da aber das Gelände nicht abgesperrt war und die Besucher von überall her aus dem Wald kamen, kamen sie nicht zwangsläufig an Jacques Kassentisch vorbei, nur die wenigstens bezahlten. Ein finanzieller Erfolg blieb also zunächst aus. Aber Jacques hatte auch alles andere als einen wirtschaftlichen Erfolg im Sinn. Es ging ihm vielmehr darum, mit den Tieren zusammenzuleben, sie zu beobachten und mehr über sie zu erfahren. Und er entdeckte, dass er ein pädagogisches Talent hatte. Immer mehr Schüler aus La Flèche und der ganzen Region kamen zu ihm, denen er die einheimische Tierwelt erklärte.
Nicht weit entfernt von dem Gehege der Löwen schauten wir den vier Schimpansen des Zoos eine ganze Zeit zu. Die Gruppe besteht aus einem männlichen und drei weiblichen Tieren, die noch eines der älteren Gehege bewohnen, das darauf wartet umgestaltet zu werden, eine von einem Wassergraben umgebene Insel mit Klettergerüsten für die Affen.
Die ersten Schimpansen des Zoos, Dialo und Negrita, spielten eine besondere Rolle für den Zoo, denn sie waren 1956 die Hauptdarsteller eines Kurzfilmes, „Escapade“ (der Ausflug). Die beiden durften in dem Film durch „Tertre Rouge“ spazieren und entdeckten dabei die anderen Tiere des „Zoologischen Dorfes“, wie Bouillault seinen Zoo nannte. Das Renommee von Tertre Rouge war mit der Zeit immer mehr gewachsen. Es gab zu Beginn der 1950ger Jahre in Frankreich nur die Zoos in Paris (Ménagerie du Jardin de Plantes, Zoo de Vincennes), in Mulhouse, Lyon und Marseille und einen privaten Park mit seltenen Vögeln in Clères in der Normandie, also war hier in der Nähe von la Flèche etwas ganz Neues entstanden. Neue exotische Tiere kamen hinzu. Soldaten, die aus Indochina zurückkamen, brachten Bouillault einen Makaken, einen Schweinsaffen und eine Python, nachdem sie erkannt hatten, dass die Tiere nicht zuhause halten konnten. Auf dem Dachboden seines Hauses im Wald entstand das Innengehege der Affen, die durch ein Rohrsystem in ihren Außenkäfig am Fuß des Hauses gelangten. Die Python, die in einem Seesack eines Soldaten ankam, bezog ein neues Terrarium in der Küche des Hauses.
1950 wurde die Tiersammlung offiziell zum Parc Zoologique de Tertre Rouge. Der Zufahrtsweg wurde geteert, das Gebiet eingezäumt. Ungefähr 50 Tiere lebten rund um das Haus im Wald. Der Affe freundete sich mit dem Murmeltier an. Es entstanden neue Volieren für die Tukane, die im Badezimmer überwinterten und bei schönem Wetter wurden die Terrarien mit den Vipern, Nattern und der Python nach draußen gebracht. Dachse, Ginsterkatzen und Wildschweine tobten durch ihre Gehege, während die Enten und Möwen frei auf dem Hof lebten. Ein verletztes junges Reh, das ein Wanderer vorbeigebracht hatte, erholte sich, wuchs und wurde ein eindrucksvoller Rehbock. Im Norden der Lichtung lagen die Volieren der Raubvögel, zweifellos die zahlreichsten und wertvollsten Bewohner des kleinen Zoos: Bussarde, Habichte, Falken, ein Wespenbussard, Uhus, Eulen und zwei Adler.
Heute leben die Eulen in einer Scheune mit vielen Strohballen in der Nähe der Schimpansenanlage. Leider war es darin zu dunkel um zu fotografieren, mir hat aber die Unterbringung der Waldkäuze, die hier leben, besonders gut gefallen. Am Vivarium des Zoos, das im Jahr 1971 eröffnet wurde und auch darauf wartet erneuert zu werden, gingen wir vorbei, machten aber an der Tigeranlage wieder halt, weil ein Schild uns darüber informierte, dass hier ein Tiger aus Stuttgart eingezogen war, den wir vor einem Jahr noch in der Wilhelma gesehen hatten.
Seine weißen Tiger hat der Zoo 2009 durch normal gefärbte Sumatra Tiger ersetzt, die nun in der 2005 errichteten „Tiger Taiga“ leben. Das Männchen Jalur, das am 3. April 2007 in Stuttgart geboren wurde, lebt seit dem 21. Januar 2009 in La Flèche. Seine Geschwister Pertama und Bagus leben jetzt in Barcelona in Spanien und in Eskiltuna in Schweden. Seine Partnerin war gerade erst aus der Réserve Africaine de Thoiry, die in der Nähe von Paris liegt, angekommen. So konnten wir leider nur die leere Anlage anschauen, weil sich die Tiere hinter den Kulissen aneinander gewöhnen sollten.
Auf der anderen Seite des Weges lebt eine Familie Mantelaffen, oder Guerezas. Die hatten ein Jungtier und das konnte und durfte das Gehege der Familie verlassen. Der kleine Affe schaute sich mit uns zusammen die Tigeranlage an, kletterte auf dem Schild herum, dass die Zoobesucher informierte, dass er nicht ausgebüxt war, sondern quasi mit Erlaubnis frei durch den Zoo streifte, untersuchte die von den Bäumen heruntergefallenen Esskastanien, ob sie als Futter geeignet waren – sie schienen ihm allerdings nicht essbar zu sein – und schließlich setzte er sich für kurze Zeit neben mich auf eine Bank und schaute mich neugierig an. Lange hatte er allerdings keine Zeit dazu, denn es gab ja noch soviel für ihn zu entdecken. Seine Eltern beobachteten ihren Nachwuchs aus ihrem Gehege, sie wirkten nicht sehr besorgt. Ich denke, sie wussten genau, dass ihr Sprössling am Ende wieder zu ihnen zurück kommen würde.
Auf dem Weg zu den Eisbären ging es vorbei an der Giraffenanlage, auf der fünf Kordofan-Giraffen leben – sie soll in den kommenden Jahren neugestaltet werden – und durch ein recht dunkles Tierhaus, in dem Fenneks unter einer roten Wärmelampe schliefen, nebenan, auch in einem Haus, hatte eine Gruppe Erdmännchen ihr Zuhause und auf der „Argentinischen Pampa“ des Zoos konnten wir vier lateinamerikanische Tierarten – Alpakas, Capybaras, Nandus und Flachlandtapire beobachten.
Wir gingen jetzt zügig weiter, vorbei am großen Zoorestaurant und der 1997 eröffneten „Marine World“, dem großen Wasserbecken, in dem die Kalifornischen Seelöwen und eine Gruppe Humboldt Pinguine leben. Außerdem gibt es hier eine Anlage mit Kurzkrallenottern, in die wir zuerst nur einem kurzen Blick hineinwarfen, die aber später am Tag noch eine Überraschung für uns bereit hielt. Wir wollten jetzt endlich zu den Eisbären.
Die Eisbärenanlage „Wild Artic“ in La Flèche wurde 1999 eröffnet. Sie hat insgesamt eine Größe von 3.200 qm. Dazu gehört ein großes Bassin mit einer Oberfläche von 700 qm, das bis zu 3 m tief ist und insgesamt 800.000 Liter Wasser enthält. Als Zoobesucher kann man in dieses Becken durch eine Glaswand, die 40 m lang ist hineinschauen. Sonst ist das Gehege außen durch eine Holzpalisade begrenzt, deren grobe Holzbalken an Eisenbahnschwellen erinnern. In dieser Holzpalisade sind an verschiedenen Stellen große Holzfenster eingelassen, die den Zoobesuchern großzügig Einblicke in das Gehege bieten. Die Eisbären haben aber auch die Möglichkeit, sich den Blicken zu entziehen. Die Anlage ist sehr abwechslungsreich gestaltet mit unterschiedlich Böden, Kiesbuchten, felsigen Abschnitten und einem Teil mit einem Wald aus Nadelbäumen.
Wir schauten zuerst durch die lange Glaswand am Wasserbecken und konnten keinen Eisbären erblicken. Zu diesem Zeitpunkt erwarteten wir auch nur einen Eisbären zu sehen, weil in La Flèche nach unseren Unterlagen auch nur ein Eisbär leben sollte. Wir wanderten um die Anlage herum und schauten durch verschiedene Fenster, bis wir schließlich auf Nanouk, den männlichen Eisbären stießen, der sich genau vor einer der großen Scheiben seinen Schlafplatz gesucht hatte.
Er hob den Kopf, schaute uns müde an und schlief dann weiter. Wir nahmen das als Zeichen erst einmal eine Pause im Zoo Restaurant „La Bananeraie“ einzulegen. Nach einer Portion Pommes Frites und einer Tasse Kaffee waren wir bereit zu neuen Abenteuern. Wir schauten bei Nanouk vorbei, der hatte sich aber keinen Zentimeter bewegt und es sah auch nicht so aus, als ob er die Absicht hatte, das in der nächsten Zeit zu tun. Also beschlossen wir zuerst einmal unseren Zoorundgang fortzusetzen. Wir hofften, dass Nanouk bei der nächsten Fütterung, die in knapp einer Stunde auf dem Plan stand, aufwachen und ein bisschen aktiver sein würde.
Der zweite Teil unseres Zoobesuchs mit Bildern von einem wachen Nanouk in La Flèche wird bald folgen.
Die Informationen habe ich hier gefunden:
http://www.zoo-la-fleche.com/
http://www.zoonaute.net/lafleche-lionblanc.html
http://www.geo.de/GEOlino/natur/tiere/663.html
http://content.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/1932413_0_2147_wilhelma-tiger-jalur-wird-franzose.html
http://www.zoonaute.net/compte-rendu/zoo-de-la-fleche.pdf
http://zoospassion.com/zoos_europe/zoos_france/lafleche/lafleche.html#6
http://www.leszoosdanslemonde.com/leszoosdanslemonde/europe/france/fleche/fleche_2002.htm
Mouton Emmanuel, Jacques Bouillault une vie de naturaliste.
Mehr Bilder von den Vögeln, Raubkatzen, Affen, der Eisbärenanlage und dem schlafenden Nanouk.