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Es war diesig, als wir uns nun auf den Weg zum Meer machten. Nach einem leckeren Frühstück, bei dem wir wieder die Angler auf der Dordogne beobachten konnten, wie sie mit ihren kleinen, flachen Booten den besten Platz suchten und dabei auch einmal am Campingplatz entlang fuhren um nachzuschauen, wer da alles neu dazu gekommen war, folgten wir zügig ihrem Ufer nach Westen.
Nachdem wir gestern nicht so recht von der Stelle gekommen waren, wollten wir heute etwas schneller weiterfahren. So machten wir diesmal auch keinen Umweg über Saint-Emilion, das nur ein paar Kilometer im Norden neben unserem Weg lag. Große Plakate locken die Reisenden in den hübschen Ort, der stolz mir seinem Status als Weltkulturerbe wirbt. Wenn man noch nicht da war, sollte man in keinem Fall vorbeifahren und es fiel uns auch dieses Mal nicht leicht, Saint Emilion rechts liegen zu lassen, als wir den Weinort oben auf dem Bergrücken sahen umgeben von den Weinreben, deren Früchte gerade mit der Hand geerntet wurden.
Schon im 5. Jh., als die Römer ganz Gallien besetzt hatten, wurde in Saint Émilion Wein angebaut. Ihren Namen verdankt sie Stadt, einem Eremiten, dem Benediktinermönch Emilion, der im 8. Jh. auf dem Kalkplateau eine Quelle in einer Grotte fand, die er zur Eremitage ausbaute. Er begann sich um das seelische Wohl der Menschen am Ufer der Dordogne zu kümmern, er predigte und missionierte, heilte aber auch die körperlichen Krankheiten der Menschen. So entstanden Legenden über die Wunder, die er vollbracht haben sollte, immer mehr Menschen pilgerten zu seiner Einsiedelei und bauten ihre Häuser in der Nähe.
Jahrhunderte lang wurde St. Emilion von einem Ordenskapitel und einer weltlichen Behörde, der Jurade, verwaltet, die im Jahr 1199 entstand, als Johann ohne Land, König von England und Herzog Aquitaniens, den Bewohnern das Gemeinderecht mit allen Privilegien und Freiheiten gewährte. Diese Jurade stellte für die Weinherstellung strenge Regeln auf, die seit damals jedes Jahr mit einem Schwur erneut bekräftigt werden. Ihre Bemühungen haben bis heute Früchte getragen, denn rund um Saint Emilion wachsen einige der besten Rotweine der Welt. Auf 5400 Hektar wachsen die roten Trauben zweier Lagen, die den Namen „Saint-Emilion“ und den Zusatz „grand cru“ tragen dürfen, die besten Rotweine davon werden mit dem Titel „Premier grand cru classé“ geadelt.
Die meisten der 860 Winzer bewirtschaften kleine Weinberge und beweisen so, dass Ökonomie und Ökologie kein Widerspruch sind. Noch heute nach mehr als 800 Jahren existiert die „Jurade“, doch heute gilt ihr ganzes Interesse aus-schließlich dem Wein.
Im September jeden Jahres wird in einem farbenprächtigen Schauspiel durch die „Jurats“ die Weinlese verkündet. Seit 1999 gehören die mittelalterliche Stadt und das sie umgebende Weinanbaugebiet mit Dörfern und Wein-Châteaus, die hier auch wie solche aussehen, zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Kurz bevor die Dordogne mit der Garonne zusammenfließt war es dann aber Zeit für einen Stopp, wir hatten Hunger und wollten uns bei einer Picknickpause stärken. Den richtigen Platz dafür zu finden, ist normalerweise eine langwieriger Vorgang, denn meist gibt es an den schönsten Plätzen keinen Parkplatz oder wir rollen daran vorbei, weil wir ihn zu spät gesehen haben. Manchmal drehen wir eine Runde, bis wir endlich auf einem geeigneten Platz stehen, manchmal fällt das Picknick auch aus. Doch diesmal wusste ich genau, wo wir unser Wohnmobil hinstellen konnten. Mein Ehemann und Fahrer erinnerte sich nicht so gut wie ich an den schönen Parkplatz am Flussufer, folgte aber brav meinen Anweisungen und bog in die schmale Straße in Bourg ab, die recht steil abwärts zur Dordogne führte.
Bourg-en-Gironde liegt nämlich nicht wie der Name vermuten lässt am Ufer der Gironde, sondern auf dem Ostufer der Dordogne, die sich heute erst drei Kilometer hinter dem Ort mit der Garonne zur Gironde vereinigt. Noch im Mittelalter lag Bourg tatsächlich an der Gironde, doch seither haben die beiden Flüsse Unmengen von Sinkstoffen – Sand und Kies flussabwärts transportiert, Sandbänke haben sich gebildet, Inseln verschoben. So schlägt die Dordogne heute einen Schlenker nach Norden ein, bevor sie zur Gironde wird.
Dies alles erfuhren wir, nachdem wir unser Auto direkt am Flussufer geparkt haben und uns, bevor wir unser Picknick starteten, die Informationstafeln anschauten, die am Flussufer aus der Geschichte des Ortes erzählen. Die heißen „Fenêtres sur l’estuaire“, Fenster auf den Ästuar (lat. aestuarium „Bucht, der Flut ausgesetzte Flussmündung“) und informieren über Geschichte, Geographie, Umwelt und Kulturerbe des Gebiets. Es gibt insgesamt neun solcher Fenster, die am Dordogne Ufer aufgestellt wurden. Die Schilder am Hafen von Bourg erzählen aus vergangenen Zeiten, als hier noch Waren umgeschlagen wurden, die vor allem für das nahe gelegene Bordeaux bestimmt waren.
Der Fluss hatte eine wichtige Bedeutung im Leben der Stadt, denn früher wurden wichtige Güter – Wein, Holz für die Weinfässer und Steine für den Hausbau in Bordeaux – auf der Dordogne, Gironde und Garonne transportiert. Heute ver-kehren nur noch an der unteren Dordogne von Bergerac in Richtung Bordeaux einige wenige Frachter, aber lange Zeit war die Dordogne ein wichtiger Handels-weg, erst das Aufkommen der Eisenbahn Ende des 19. Jh. hat der traditionellen Flussschifffahrt ein Ende bereitet.
So kamen einst Gabares von der oberen Dordogne und brachten vor allem Holz aus den Wäldern, aber auch Käse aus der Auvergne, Kastanien aus dem Limousin und Kohle aus den Gruben bei Argentat mit und das, obwohl die Schifffahrt auf der wilden Dordogne keine einfache Sache war. Nur im Frühjahr und im Herbst war es möglich mit den flachen Booten den Fluss im oberen Teil zu befahren. Es gab keine sichere Fahrrinne, wandernde Sandbänke und Strudel erforderten viel Sachverstand von den Bootsführern. Die Gabares waren 8 bis 20 m lang, liefen vorne spitz zu und hatten ein breites Hinterende mit einem langen Steuerruder.
Die Fortbewegung besorgte die Strömung des Flusses. Gesteuert wurde mit dem Steuerruder hinten, nur zum Manövrieren und Beschleunigen wurden vorne eingelegte Ruder zusätzlich genutzt. Für die meisten Boote war die Dordogne eine Einbahnstraße, die Fahrt führte nur flussabwärts. Sie wurden am Zielort – z.B. hier in Bourg – zerlegt und die Planken wurden zusammen mit der Ladung verkauft.
Doch in Bourg kamen nicht nur Boote an, es fuhren auch welche ab, die Garonne hinauf, beladen mit Steinen für die Stadt Bordeaux. Viele Gebäude in Bordeaux wurden aus „ La pierre de Bourg“, Stein aus Bourg, errichtet. Seit im 20. Jh. andere Baustoffe die Kalksteine abgelöst haben, sind die meisten Steinbrüche stillgelegt worden. Heute gibt es nur noch einen aktiven Steinbruch in Bourg.
Ich fotografierte von Hafen aus den Ort mit seinen schönen alten Häusern. Besonders interessant ist das maurische Haus aus dem 17. bis 18. Jh., dessen Erbauer eine besondere Leidenschaft für orientalische Architektur hatte und in seiner Heimatstadt sein Traumhaus errichtet hat, das nun mitten in der kleinen Stadt ein exotischer Blickfang ist. Dann fuhren wir weiter auf der Corniche direkt am Ufer der breiten Dordogne vorbei, die dann endlich zur Gironde wird. Dabei vertrauten wir uns wieder einmal dem Navigationsprogramm des Handys an, das uns auf einer ziemlich abenteuerlichen Straße am Fuße der Kalksteinfelsen am Ufer entlang und dann über eine recht steile Serpentine wieder hinauf auf das Plateau und die breite Straße in Richtung Blaye brachte.
Die Informationen habe ich hier gefunden:
http://www.bourg-gironde.net/
http://www.bourg-en-gironde.fr/
http://fr.wikipedia.org/wiki/Gabare
http://charles.bouyssi.free.fr/gabare/Gabares.htm
http://projetbabel.org/fluvial/courreau.htm
http://gabareevasion.fr/
http://www.schaetze-der-welt.de/denkmal.php?id=226
Bilder aus Bourg-en-Gironde gibt es hier:
http://www.flickr.com/photos/ullij/sets/72157623006699049/show/